Kleine Storys

Wenige Erzählungen sind übrig geblieben, die in meinen beiden Büchern keinen Platz mehr fanden.

Weiterhin ist mir erst im Jahr 2021 aufgefallen, dass eine sehr wichtige Story fehlt, die eigentlich in das zweite Buch "Störfaktoren" gehört: Flugversuch!

Ideen sind noch genug vorhanden, um zu zeigen, dass ich auch herrliche Geschichten schreiben kann, die sich als Erlebnisse zwischen die anderen - doch eher mit einem negativen Touch behafteten - Erlebnisberichten eingefügt haben.
Diese werden geschrieben werden und in einem weiteren Buch - oder zumindest auf dieser Seite - veröffentlicht! Bitte haben Sie noch etwas Geduld...

Ein früher, blöder Flugversuch - 1963

Vorwort:

Es ist erstaunlich und mir völlig unverständlich, warum ich dieses einschneidende Erlebnis - das übrigens lebenslange Folgen haben sollte - schlichtweg vergessen hatte! Das heißt, vergessen nur insofern, als dass es im Buch "Störfaktoren" nicht auftaucht; es war mir einfach entschlüpft beim Schreiben der Kuriositäten: leibhaftig ist dieses Malheur keineswegs in der gedanklichen Versenkung verschwunden, da ich seit meinem 10. Lebensjahr täglich daran erinnert werde; zumindest fast täglich, oder jedenfalls sehr oft.

Hier also dieser folgenschwere Vorfall:

Schon in jungen Jahren, oder besser gesagt, in sehr jungen Jahren, begann ich, mich dem Sport zuzuwenden. Obwohl ich kaum glaube, dass tatsächlich ich es selbst war, sechsjähriger Knirps.

Meine Eltern waren, noch lange, bevor sie sich kennen lernten, schon in Sportvereinen in ihrer Heimat Sudetenland aktiv. Diese Gene müssen also später auf mich übergegangen sein, und sicher hatten auch die Erinnerungen meiner Eltern dazu beigetragen, mich schon recht früh der Leibesertüchtigung zuzuführen. Sie wählten einen Turnverein, dessen Sporthalle gleichzeitig die Halle meiner ersten Schule war: Einschulung 1963 in der Volksschule Mannheim-Waldhof, und schon kurz danach Mitglied des Turnvereins, im ersten Schulhalbjahr.

Während dieser Volksschulzeit stellte ich mich offenbar gar nicht schlecht an; unser Trainer führte mich schon früh an Aufgaben heran, die ich sogar mit Bravour meisterte: Ich erinnere mich gerne, wie er mir den Flic-Flac rückwärts beibrachte, im Alter von neun Jahren! Manno, wie war ich stolz darauf... Selbst an den Barren durfte ich gehen, obwohl der noch viel zu breit für mich war!

Nach dem vierten Schuljahr empfahlen die Lehrer, mich auf ein Gymnasium zu schicken; nicht wegen meiner sportlichen Begabung allerdings, wer weiß, warum sonst. Somit wechselte ich mit 10 Jahren in das Lessing-Gymnasium Mannheim, blieb aber im Turnverein im Gebäude der Volksschule (später Grundschule genannt).

Diese erste Klasse nannte sich Sexta (die Sechste, warum auch immer, obwohl ich ja von der Vierten aus wechselte), und die weiteren Klassen wurden rückwärts durchgezählt bis zur Oberprima, also der Ober-Ersten, der Abiturklasse. Damals war das die 13. Klasse, heute hat sie viele andere Namen.

In dieser Sexta also begab es sich, dass ich blöderweise schon recht früh – bezeichnenderweise am letzten Tag der Osterferien, statt gleich am erstern Tag – einen Blinddarmdurchbruch erlitt und deshalb einige Zeit ausfiel. Das wäre sicher noch zu verkraften gewesen: So schlecht war ich nämlich gar nicht in der Schule, außer in Latein. Ich hasste dieses Fach mitsamt Lehrer! Oder vielleicht andersrum: Ich hasste diesen Lehrer, und deshalb das Fach!

Glücklicherweise durfte ich meinen geerbten Bewegungsdrang im Turnverein austoben, was ich nach meiner Gesundung auch reichlich ausnutzte. Mein Trainer hielt so große Stücke auf mich, dass er mich sogar an die Ringe heranführte, was üblicherweise erst den mindestens 14-jährigen gestattet wurde.

Er hing mich also da hinein, und ich schaukelte einfach nur vor- und rückwärts, was mir rechten Spaß machte. Schon kurz danach wurde mir dieses Schaukeln zu langweilig, weshalb ich die Beine mit geschlossenen Füßen zum Schwungholen benutzte, ganz in professioneller Manier, wie ich glaubte. Jedoch erlahmten meine Hände recht schnell: sie waren noch zu klein für den Durchmesser dieser hölzernen Ringe, und außerdem waren die Unterarmmuskeln noch viel zu schwach. Also ließ ich mich auspendeln, und der Trainer hob mich wieder herunter, nicht ohne ein Lob!

In den nächsten vier Wochen trainierte ich wie wild: Ich muss mich einfach an diesen Ringen festhalten können, sackzement! Und es klappte auch immer besser.

Eine Trainingseinheit danach konnte ich es wagen, mich mit vehementen Schwüngen bis fast in die Waagrechte zu katapultieren, sowohl vorwärts als auch rückwärts; jedenfalls hatte ich dieses Gefühl, obwohl ich noch weit davon entfernt war. Aber es war unglaublich erhebend, oder besser er-schwebend! Immer weiter wollte ich hoch, immer mehr Schwung gewann ich -

bis die blöden, zu großen Ringe sich aus meinen kleinen Händen lösten.

Nur sehr kurz durfte ich das Gefühl des freien Falls erfahren, dann knallte ich rücklings auf die Matte! Das war ein weniger glückliches Gefühl, denn mir blieb kurz der Atem weg, den es aus den Lungen gepresst hatte. Aber okay, dafür waren solche Matten ja da: Abstürze solcher Art einfach wegzustecken, wenn auch mit einiger Heftigkeit, der Schwerkraft geschuldet. Aber im Prinzip harmlos, wie es schon viele Tausend Turner in der Vergangenheit erfahren konnten.

Nur ich nicht. Heute.

Mein linker Arm nämlich war nicht ganz dem übrigen Körper gefolgt, was eigentlich der Zusammengehörigkeit halber ein Muss sein sollte: Alle zusammen oder gar keiner!

Dieses linke Teil – man kann das durchaus in verschiedener Weise verstehen – knallte nämlich knapp außerhalb der Matte auf den blanken Boden.

Mein Kopf, nur leicht benommen, drehte sich nach links, sah einen Arm, der sich ab der Mitte nach außen bog; also ähnlich, wie man den Unterarm über seinen Nabel legt, nur andersrum, mit den Fingern gegen die Wand zeigend. Das erschien mir doch etwas seltsam. Aber bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, erschien mein alter, aber absolut fitter Trainer, mit einer Plötzlichkeit, als wäre er von irgendwoher abgefeuert worden. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, bog er meinen Arm wieder in seine angestammte Lage über dem Bauch; ich packte ihn mit meiner rechten Hand am Handgelenk und ließ ihn nicht wieder los.

Ob es geknirscht hatte bei der Rückbiegerei, weiß ich nicht mehr. Schmerzen hatte ich aber offenbar nicht, ich müsste mich wohl daran erinnern: Adrenalin und Cortisol fluteten sicher meinen Körper. Aber auch der Schmerz, der sicher da war beim Aufprall, entzieht sich gnädig miner Erinnerung.

Der Trainer war völlig aufgelöst, ich dagegen recht ruhig; eine Eigenart, die ich auch später im Leben noch einige Male an mir bewunderte, wenn es äußerst heiß herging.

Ich meine, dass ein Krankenwagen gerufen werden sollte, aber weit und breit gab es kein Telefon, außer vielleicht im Schulsekretariat, aber das war ja geschlossen um diese Zeit. So erklärte ich in aller Ruhe, dass mein Unfallarzt nicht weit entfernt seine Praxis hatte, ich könne doch einfach dorthin zu Fuß gehen? Der Doktor kenne mich auch schon gut, er musste schon ein paar Mal an mich ran, wegen kleinerer Verletzungen, die ich mir zwar unregelmäßig, aber recht häufig zuzog; erst letztes Jahr, bei einem Schlüsselbeinbruch.

Es mutet seltsam an, dass der Traine mich tatsächlich allein ziehen ließ. Aber vielleicht stand er mehr unter Schock als ich, denn er konnte die anderen drei Jungs in der Turnhalle nicht alleine lassen, und außerdem fürchtete er möglicherweise Konsequenzen wegen fehlender Aufsichtspflicht, denn er hatte mich alleine an den Ringen gelassen.

So trottete ich also los: barfuß, in schwarzer Turnhose und weißem, ärmellosen  Unterhemd Marke *gerippt', stieg über einen niedrigen Zaun des Schulgeländes, um Weg zu sparen, ging etwa 200 Meter an der Schienenstraße (so heißt sie heute noch) auf der rechten Seite entlang, überquerte die recht breite Straße mit ihren zwei Straßenbahngleisen in der Mitte und stand dann in der offenen Tür des allein stehenden, alten, fast herrschaftlichen Hauses bei Dr. Kienapfel, seineszeichens Unfallsarzt und gegenseitig (leider, aus meiner Sicht) schon recht bekannt.

Beim Röntgen sollte ich meinen Arm loslassen; aber keine Chance! Ich hielt ihn fest, wohl aus Angst, er könnte sonst abfallen. Danach stellte der Doc fest, dass er diesmal nichts für mich tun könne, ich müsse ins Krankenhaus!  Die ältere Arzthelferin, die mich ebenfalls schon viele Jahre kannte, (sie war dabei, als ich im Alter von zwei Jahren beide Beine in Gips gelegt bekam, um meine X-Beine zu begradigen), rief meine Eltern an und ein Taxi. Oder umgekehrt? Ich entschied mich für das Theresien-Krankenhaus: Der Doktor fragte mich tatsächlich, wohin ich möchte, und mir war wohl irgendwie zu Ohren gekommen, dass dort das Essen besser sei als im Klinikum.

Auf dem OP-Tisch verlangte man doch tatsächlich von mir, dass ich endlich meinen Arm loslassen soll! Immer noch keine Chance; ich klammerte mich daran wie an mein Leben.

Und wieder durfte ich, wie schon bei der Blinddarm-OP, unter der Gasmaske von 10 rückwärts zählen, während mich der Äther in unglaublich angenehme Sphären entführte, aber viel zu schnell, so wunderbar war das. Ich meine, dass ich mich auch verzählt hatte, mich entschuldigte und deswegen wieder bei Zehn anfing und vielleicht bis Acht kam, obwohl ich am liebsten bis minus 30 weiter gemacht hätte!

Als ich aufwachte, staunte ich nicht schlecht. Ich hatte ja erwartet, dass meinen Arm ein Gips zieren würde, aber weit gefehlt! Ich lag auf dem Rücken, über mir eine Gestänge, in das mein Arm eingeschnallt war.
Knapp unterhalb des Ellbogens war eine kleine Stange getrieben worden, die mit einer Art Hufeisen versehen und damit – und mit verschiedenen Bändern – mit dem Gestänge verbunden war. In der Weise also, wie ich vorher meinen angewinkelten Arm vor dem Bauch festgehalten hatte, nur, dass er jetzt über meiner Brust hing. Nein, nicht hing: festgezurrt links und oben und rechts, damit ich den Arm ja nicht bewegen konnte! Ich staunte lange darüber, bis mir klar wurde: Hufi, das ist ein Folterinstrument, das du länger als drei Tage aushalten musst!

Mir wurde nicht alles genau erklärt; ein Knabe, der gerade angefangen hat Latein zu lernen, würde das eh nicht kapieren. Jedenfalls: Durch den Aufprall war der Ellbogen aus seiner rechtmäßigen Lage in die umgekehrte gezwungen worden; ich konnte das bestätigen. Durch den übermotivierten Versuch einer Aufsichtsperson, dies wieder zu korrigieren, (auch das konnte ich bestätigen), sei der Schaden (=Bruch) aber verschlimmert worden (=komplizierter Bruch). In spätestens vier Wochen aber würde ich befreit werden und mein Arm danach einen normalen Gips erhalten, und danach sei alles wieder in Ordnung.
Alles hörte sich gut an; es gab keinen Grund, skeptisch zu sein. Für so einen Knirps sowieso nicht, der den Ernst des Lebens eh noch nicht begreifen konnte. Außer den Lateinunterricht mit einem offensichtlich sadistischen Lehrer...

So lag ich denn ziemlich blöd und untätig herum, zumindest die erste Woche, aber mein Bewegungsdrang ließ mich schon unruhig werden. Ich probierte dann, als ich es nicht mehr aushielt, Turnübungen im Bett: Füße und Unterkörper hochziehen bis zur Querstange meines Foltergestänges, dort meine Zehen so biegen, dass der Körper so lange wie möglich hängen blieb, dann langsam absenken: trainiert die Bauchmuskeln. So was ist ernorm wichtig für einen, der mal ein richtiger Turner werden will!
Seitlich ging auch eine Menge: Körper fast raus aus dem Bett, in möglichst gestreckter Haltung; dann wieder langsam in die Mitte und raus auf die andere Seite. Das trainiert auch die seitlichen Muskelpartien, jawoll!
Mit einiger Übung schaffte ich es sogar, jeweils den rechten oder linken Fuß bis fast auf den Boden zu setzen. Wobei ich natürlich den Oberkörper heftig verbiegen musste, aber das Gefängnis in Form des Gestänges blieb dabei stabil; dachte ich.

Die vier oder fünf jungen Genossen im Zimmer feuerten micht oft an, lachten auch ebenso oft! Sie waren ja nicht gefesselt, sondern hatten andere Wehwehchen, was weiß ich für welche. Einer kam auf die Idee, Papierflieger zu falten, die sie mir zufliegen ließen, und ich warf sie mit dem rechten Arm zurück. Das Fenster, neben dem mein Bett stand, zierte etwas unschön bis zu halber Höhe ein Gitter, aus welchen Gründen auch immer, auch das zweite Fenster im Zimmer war derart gesichert. (Übrigens hatte ich dennoch einen schönen Blick auf den Neckar). Die Jungs zielten jetzt mit ihren Fliegern in eben dieses Gitter, und ich musste die Treffer, sofern sie hängen blieben, mit den Zehen wieder heraus ziehen und zurück werfen. Ja, ich meine das wörtlich: mit den Füßen! Das war ein tolles Training, und es hatte mordsmäßig viel Spaß gemacht.

Mordsmäßig war allerdings auch die Auswirkung auf das Gestänge, oder besser auf die Teile, die kein festes Gestänge waren, sondern aus Gazebändern bestanden und zum Beispiel die festgebunden Hand in der Waagerechten halten sollten. Das Hufeisen, das den Ellbogen mit der Stange darin hielt, war davon unbeeindruckt, weil auch dieses Hufeisen von einer senkrechten Stange am Gestell gehalten wurde. Der Rest jedoch begann sich langsam aufzulösen, infolge meiner übermäßigen Turnerei: Der Unterarm hing schon eine ganze Weile nicht mehr waagrecht, sondern die Hand zeigte immer mehr nach unten, und auch leicht nach Außen, wie mir schien. Ich kann mich nicht erinnern, während diesen vier Wochen einen Arzt gesehen zu haben, nur die behaubten Schwestern sind mir in Erinnerung, die mir ab und an einen Einlauf verpassten: Mein Sportprogramm ließ meinen Darm offensichtlich völlig unbeeindruckt.

Zwischendurch aber, so etwa am Ende der dritten Woche, wurde ich megamäßig überrascht (diesen Ausdruck hätte ich damals erfinden müssen): Meine gesamte Schulklasse stand vor der Tür zum Krankenzimmer zu Besuch! Keiner durfte rein, weil alle zu jung waren und ein mögliches Infektionsrisiko darstellten. Ein großes Hallo gab es aber nicht: Ich sah fast nur betretene Gesichter, die ungäubig oder auch mitfühlend den kleinen Kerl am Fenster in seinem Gestell begafften. An ein Winken und Lächeln kann ich mich aber erinnern: Oskar, mit dem ich schon früher Freundschaft geschlossen hatte; wir waren durch die vier Klassen in der damaligen Volksschule (Grundschule) gegangen.

Unser Klassenlehrer Dr. Helfinger überreichte mir eine Grußkarte, unterschrieben von allen Klassenkameraden und auch von ihm selbst: ------- HIER Bild -------- Wo???

An dieser Stelle muss ich einschieben, dass mir erst jetzt richtig bewusst wurde, dass ich ja tatsächlich nicht nur im Krankenhaus lag, sondern nebenbei auch Schüler einer höheren Schule war, wenn auch erst seit kurzer Zeit. Einem gewissenhafteren und intelligenterem Jungen wäre sicher die Notwendigkeit bewusst geworden, sich über die Fortschritte des Lehrpensums zu informieren, sich Unterlagen und Bücher bringen zu lassen – vor allem in Latein, wo ich sowieso schon hinterher hinkte. Aber nein! Turnen im Bett war mir wichtiger gewesen...

Die versprochenen vier Wochen waren inzwischen um, und mein Arm baumelte schon fast erbärmlich in den Haltetüchern, die schon langsam in Auflösung begriffen waren. Eine der Haubenschwestern bedauerte, dass es vielleicht noch zwei oder drei Tage dauern würde, gab aber keine Erklärung ab. So blieb mir nichts anderes übrig, als weiterhin meine privaten Turnstunden zu absolvieren.

Endlich! Ich wurde abgeholt, logischerweise samt Bett und Gestänge, und wieder durfte ich einen OP-Raum von Innen bewundern. Schade nur, dass keine Gasmaske auf mich wartete; dabei hatte ich mir fest vorgenommen, mich diesmal nicht zu verzählen, dieses Blamage wollte ich mir ersparen.

Die älteren Jungs - so kamen sie mir tatsächlich vor -, waren alle adrett gekleidet in weiß und grün, und sie hantierten an den Aufhängern meines Gestells herum. Ich fand das alles äußerst interessant! Die Weichteile wurden abgeschnitten, mein Unterarm sackte etwas ab; einer zwickte mit einem Bolzenschneider die dünne Stange durch, die durch meinen Arm getrieben war, und der gesamte Arm sackte ab, wurde aber noch ein wenig gehalten durch den Rest der Stange, der im Arm stecken blieb, mit dem Hufeisen darüber. "Warum hält denn keiner den Arm, verdammt!", erzürnte sich einer, wahrscheinlich der Chefingenieur. Ich war auch etwas erzürnt, denn es tat weh!
Wie schon angemerkt: äußerst interessant.

Schließlich schafften sie es, zu dritt, und mein lieber Arm lag auf meinem Bauch, in exakt der Position, wie meine rechte Hand ihn hielt, als ich das erste Mal in dieser oder einer ähnlichen Räumlichkeit auf dem Rücken lag, ebenso hilflos wie jetzt. Meine Schulter schmerzte von der ungewohnten Bewegung: fast fünf Wochen lang nach oben zeigend, und jetzt plötzlich wieder in normale Lage gezwungen! Hätte ich die Schulter nicht zwangsläufig in manche Richtungen bewegt während meiner Bettgymnastik, wäre es wohl schlimmer gewesen; auch daran hatte keiner gedacht, wie schon vorher beim Abknipsen der Knochenhaltestange. Anfänger, allesamt.

Man hievte mich auf eine grüne Pritsche und legte mir einen weißen Gipsverband an. Ich war erstaunt, wie dick der wurde, vor allem im Bereich des Ellbogens! Regelrecht monströs! Vielleicht ein Anfänger beim Gipsen?

Noch zwei Tage verbrachte ich im Krankenhaus, in denen ich lernte, diesen gewichtigen Brocken in einer Schlinge mit mir herum zu tragen, und auch, um überhaupt wieder richtig gehen zu lernen. Das war gar nicht einfach, mit diesen Kilos vor dem Bauch! (Im viel späteren Leben sollte ich mich an dieses Gefühl erinnern...)

Weitere zwei Wochen vergingen, bevor ich wieder in die Schule durfte, immer noch mit diesem Gips, der mit seiner Schlinge mein Genick reichlich belastete. Und täglich wurde ich an diese Krankenhauswochen erinnert: Aussteigen aus der Straßenbahn an der Friedrich-Ebert-Haltestelle, Vorbeigang am Krankenhaus mit Blick auf den dritten Stock, in dem ich hinter einem Fenster das Gitter zu erkennen glaubte, aus dem ich mit den Füßen die Papierflieger gezogen hatte... Ein Stück weiter die Schule, von wo ich mittags den gleichen Weg zurück gehen musste...

Mein lieber Unfallarzt erlöste mich bald von dem Gips, aber danach fingen Qualen an, die ich mir nicht vorgestellt hatte: Das Ellbogengelenk war vollkommen steif! Um es wieder geschmeidig zu bekommen, musste ich dreimal die Woche in der Praxis dieses wunderbaren alten Hauses: --- Foto machen! --- Der Arm wurde in einer Art Röhre mit Heizstrahlen fast gebraten, gut 10 Minuten lang, umSehnen, Gewebe und das Gelenk insgesamt fit zu machen für die anschließende Tortur. Eine eigentlich nette junge Frau, nicht gerade unhübsch anzuschauen, offenbarte ihr wahres Wesen aber, indem sie sich mir gegenüber setzte und befahl, meinen Ellbogen auf eine Unterlage zu stellen, so, dass der Unterarm nach oben schaute. Dann zog sie ihn mit beiden ihrer Hände an meiner Hand zu sich hin. Was anfänglich hieß, dass sie keine Chance hatte, denn der Unterarm weigerte sich schlichtweg aufgrund seiner Steifheit, und ich mich wegen den Schmerzen... Dann drückte sie in die entgegengesetzte Richtung, zu meiner Schulter hin, mit gleichem Ergebnis, und danach wieder zurück.

Teufel noch eins, muss das sein? jammerte ich, von mir selbst überrascht, da ich doch vorher alles, aber auch alles so tapfer ertragen hatte. Diese Schmerzen aber waren mehr als heftig, da jetzt weder Adrenalin noch Cortisol zur Verfügung standen: mein Körper empfand diese Marter ja nicht als Bedrohung, nur mein Geist tat dies.

Ihre schönen Augen, teuflisch rot, bohrten sich in meine, und eine heisere, tiefe Stimme mit einem infernalischen Nachhall bohrte sich auf ähnliche Art in meine Ohren: Das werden wir ab jetzt dreimal die Woche machen, hähä! So lange, bis die Bewegungungen deines linken Armes wieder wie die des rechten sind! Hähä!

Wenn ich es recht bedenke, hatte sich mein Gelenk tatsächlich um einen Millimeter bewegt. Wenn sie es wirklich schaffen sollte, dann heirate ich sie, nahm ich mir vor, mitsamt den rehbraunen, gütigen Augen und der einschmeichelnden Stimme. Und den zärtlichen Händen.

Lange vier Wochen dauerte es, wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich während dieser Zeit nicht untätig war: Die Aussicht, mit einem – zumindest halbsteifen – Arm durchs Leben zu turnen, erfüllte mich mit Schrecken. Ich hing mich überall hin, wo es nur ging, beispielsweise an einen Ast meines Lieblingsbaumes im nahen Wald, oder auch an die obere Einfassung der Türrahmen der elterlichen Wohnung; da brauchte ich nicht so weit zu laufen.

Es half aber alles nichts, oder jedenfalls nur bis zu einem gewissen Grad: Der Arm wurde zwar wieder recht beweglich, blieb aber schief und krumm. (s.  unten Bild Arm 1966) .

Diese drei Ereignisse – Blinddarm und Armbruch und mangelndes Interesse an der schulischen Bildung – verführten meinen Freund Oskar dazu, sich in seiner altklugen Art (wir nannten ihn oft Vadder) an meine Eltern zu wenden: "Der Norbert hat so viel versäumt, es wird wohl besser sein, wenn er die Klasse wiederholt!" So war es denn auch. Und als ein richtiger Freund begegleitete er mich dabei...

Trotz diesem Arm turnte ich sogar weiter! Allerdings nur in der Schule, für den Turmverein war ich verloren. Aber auch in der Schule war es nach über enem Jahr vorbei: Nach einem Turnfest in der Carl-Diem-Halle in Mannheim meinte unser Sportlehrer "Fips" Rohr gnadenlos: "Deine Leistung ist außergewöhnlich gut; aber deine Haltung..." Klassenkamerad Jürgen, der meine Stelle einnahm, fühlte mit mir, weil er meine Leidenschaft kannte: "Es tut mir leid für dich, Norbert!" Große Worte aus einem jungen Mund; schon damals war ich davon beeindruckt.

Sicher hatte Fips recht: Wie sieht es denn aus, wenn zwei unterschiedliche Arme an einer einzigen Reckstange hängen? Am Barren oder beim Bodenturnen gab ich sicher auch keinen ästhetischeren Anblick ab. 
Sicher aber auch: es war ein Schock.

Ich überwand ihn aber bald, ich war ja noch jung und offen für künftiges Leben; also wand ich mich anderen Sportarten zu; Laufen über anfänglich 50, dann 75, 100, 200 und zuletzt 400 Meter; Fußball und Handball betrieb ich ein paar Jahre sogar gleichzeitig! Ich war süchtig.

15 Jahre nach diesem saublöden Abgang von den Ringen befreite mich mein Unfalldoc wieder einmal von einem Gips – es war wohl fünfte oder der sechste -, diesmal vom rechten Sprunggelenk, nach einem Motorradunfall.
"Wie kommst du jetzt nach Hause?" "Nun, mit Gips und Motorrad bin ich hergekommen, ohne Gips und mit Motorrad gehe ich wieder..." Der Doc und die alte Helferin klatschten sich mit der flachen Hand auf die Stirn, nicht ohne dabei ein heftiges Lachen zu unterdrücken. So kannten sie mich! Ich gehörte ja schon fast zur Praxis, mit meinen Hundert Besuchen in 20 Jahren; Prellungen, Verstauchungen, Schnittwunden, Blutergüsse, Brüche füllten einen dicken Aktenordner.

Eine Frage wird mir immer in Erinnerung bleiben, gestellt bei jedem Auftauchen:  "Was hast du jetzt schon wieder, und wie ist es passiert?" Und danach die Gesten ungläubigen Kopfschüttelns! Denn alles, was mir passiert war, passierte normalen Menschen nicht unter derartig skurrilen Begleitumständen. Oder auch gar nicht.


Nachwort: Im Jahr 2017 wurde ich wegen eines Tennisarms operiert, wie ein Jahr zuvor am rechten Ellbogen. Nur gestaltete sich diese OP etwas schwieriger. Da es nur eine OP mit partitieller Narkose war, bekam ich mit, wie mein Doc schimpfte: 'Wo ist denn nur diese Sehne?' - 'Doc, ich sagte doch schon: da drin ist alles verschoben!' - Eine Weile später: 'Ah, da ist sie ja! Dort hätte ich sie nicht vermutet...'

1966, mit dem Hubschrauberpilotenhelm meines Cousins, der uns mal kurz aus seinem Standort Nürnberg besuchte; er landete in der Benjamin-Franklin-Village, etwa drei Kilometer entfernt, in Mannheim-Käfertal.

Den Arm konnte ich nicht mehr ganz durchdrücken, und die hässliche Biegung ist deutlich zu sehen.

Die traurige Schwalbe

Es war einmal...
...im Frühjahr 1986...

Eines Abends, es war schon dunkel geworden, wollte ich noch schnell den vollen Müllbeutel zur Tonne in den Hof bringen.
Ich wohnte damals im Erdgeschoss eines Dreifamilienhauses aus dem Jahr 1873; sehr schönes altes Gemäuer mit einer großen und hohen Einfahrt von der Straße in den Hinterhof, wo sich außer einem riesigen Walnussbaum auch noch zwei uralte Schuppen befanden, und außerdem Platz für die kleine und fidele Hausgemeinschaft.
Von der Straßenseite her ein riesiges Tor, das zusätzlich eine kleine Extratür für den normalen Hausbesucher besaß; am Ende dieser zehn Meter langen, vier Meter breiten und vier Meter hohen "Eingangshalle", von der auch die Zugänge zu den drei Wohnungen liefen, ebenfalls Tor und Tür wie am Eingang. 
Sowohl vorne als auch hinten alte, schmale Fensterchen über den Toren, von denen eines schon seit vielen Jahren geborsten war und somit als Einflugschneise für ein Schwalbenpaar diente; am Mittelträger an der Decke der Einfahrt hatten sie schon einige Jahre in dem alten Nest gebrütet.
   Als ich das Licht anschaltete - eine nackte Glühbirne recht hoch an der Wand - hörte ich plötzlich ein Geflatter und sah eine völlig erschrockene Schwalbe auf dieser Glühbirne sitzen, die wild mit den Flügeln ruderte!
So schnell, wie sie heiße Füße bekam, so schnell fiel mir siedendheiß ein, dass die alte Vermieterin, die in Düsseldorf wohnte, im letzten Herbst den Mittelbalken sanieren ließ: bei ihren jährlichen Besuchen hier hatte sie der Schwalbendreck an dem T-Träger gestört; unten machten wir natürlich ständig sauber.
Was jetzt? Mir klopfte wohl das Herz ebenso bis zum Hals wie dem armen Schwalbenmann! Weit und breit nichts anderes als die blöde Glühbirne, wo er die Nacht über sitzen und schlafen konnte!
   Ich war alleine im Haus, alle ausgeflogen inklusive meiner Freundin... 
Irgend etwas musste ich doch tun!
Okay, zunächst schnell das Licht wieder ausschalten, damit der Knabe einen Sitzplatz hat; Schwalben können nicht auf dem Boden sitzen!
Während ich neben meinem Müllbeutel auf der kleinen Eingangstreppe im schwachen Licht hockte, das der Mond durch die Fensterchen schickte, hörte ich den armen Wurm herumflattern, der immer noch sein altes Nest suchte und wohl die Welt nicht mehr verstand; bald nahm er notgedrungen wieder die Glühbirne als Rastplatz.
   Ich weiß nicht, wer wohl verzweifelter gewesen ist:
Der hockende Müllbeutelwegträger, der händeringend nach einer Möglichkeit sann, diesem niedergeschlagenen Vögelchen irgendeine Hilfe bieten zu können -
- oder der Schwalbenmann, der tausende Kilometer von Afrika hierher zurückgefunden hatte, um das vertraute Nest für seine bald nachkommende Gattin hübsch vorzubereiten für die jährlich wiederkehrende Hochzeitsnacht?
Was mag einem solchen Wesen durch Kopf und Herz gehen, wenn es sich nach einer solchen Strapaze seines Heims beraubt sieht, in dem schon mehrmals die Nachkommen für eine Winterreise nach Afrika aufgezogen und ganz allgemein auf die Welt vorbereitet wurden?
Heulen hätte ich können bei diesen Gedanken, und die Vermieterin an der Gurgel packen ob solcher Herzlosigkeit...
   Im Hinterhof gab es auch eine kleine Glühbirne, die gottseidank nicht mit der in der Einfahrt gleichgeschaltet war; also kramte ich in der Halbdunkelheit aus einer der kleinen Scheunen eine lange, morsche Holzleiter, die seit Ewigkeiten nutzlos herumlag und jetzt endlich zu besonderen Ehren kommen sollte!
In die kleinen Risse auf der obersten Sprosse klemmte ich etwas Gras ein, in der Hoffnung, dass es dem verzweifelten Heimkehrer gefallen würde.
Diese drei Meter lange Leiter stellte ich dann an die gegenüberliegende Wand des Parkplatzes der Schwalbe, knipste das Licht unter ihrem Hintern an und hoffte...
Natürlich erschrak sie wieder, was mir in der Seele weh tat; aber ich wollte ja nur Gutes tun!
Schwalbenmann flatterte eine Weile herum, versuchte, sich wieder auf die glühende Birne zu setzen; heiße Sohlen aber erforderten sofort weitere Rundflüge...
Endlich entdeckte das Kerlchen die Leiter und probierte sie aus!
Keinem kann ich beschreiben, was ich in diesem Moment fühlte, als er sich neugierig auf seiner obersten Sprosse umschaute!
Mein eingeklemmtes Gras verschmähte er zwar, aber daneben machte er sich es bequem.
Eine ganze Weile saß ich noch auf den drei Stufen der Treppe und schaute ihn an: Erschöpfung ließ ihn immer wieder die Äugelchen zufallen; Unruhe oder auch die bange Frage: 'wie sag ichs meiner Frau?' schreckten ihn aber immer wieder auf.
Schließlich machte ich das Licht aus und ging ebenfalls ins Bett.
   Zwei Tage später traf sein Weibchen ein (was bei Schwalbenreisen üblich ist), das offensichtlich genau so verdutzt war wie der Gatte zwei Tage zuvor.
Die beiden turtelten zuerst freudig auf der Leiter und beratschlagten dann; 'Okay, was nicht mehr ist, ist nicht mehr! Bauen wir uns ein neues Heim?' - so hatte ich das interpretiert...
Etwas traurig, die beiden nicht mehr unter der heimischen Decke zu haben, aber freudig, dass sie wieder zueinander gefunden hatten, beende ich diese Geschichte; viele Jahre nach dem Erlebnis ist sie aber immer noch in tiefer Erinnerung!

Sonnenfinsternis

Wie kam es zu diesen Bildern (am Ende der Geschichte) der Sonnenfinsternis, anno 1999, am Elften des August?


Ich schnappte mir mein Motorrad, das zu diesem Zeitpunkt ausnahmsweise mal funktionierte; meine alte Revueflex-Kamera im Gepäck, dazu mein einziges Stativ: ein kleines, nur und 20 cm hohes, aber feines Teil, und das 210 mm-Zoom-Objektiv mit dem Zweifach-Telekonverter. Einen Film hatte ich auch in der Kamera drin, Gott sei Dank; aber wie ich erst später merken sollte, nur einen mit 24 Bildern - und davon waren schon fünf mit irgendwas verknipst!
Von Vorbereitung auf diesen großen Augenblick also keine Spur; Hobby-Knipser eben, und ein dilettantischer noch dazu. 
Wenn Ihr aber meine Reiseberichte gelesen habt, dann wisst Ihr, dass das zu mir gehört, weil immer irgendetwas schief gehen muss!
Erst als ich vor dem Mopped stand fiel mir ein, dass ich ja gar nicht wusste, wohin ich eigentlich fahren soll! Aber na ja, es waren ja noch gut zwei Stunden Zeit bis zum Zeitpunkt X. 
   Während der wie immer sehr langen Prozedur des Anlegens der Moppedklamotten hatte ich eine Erleuchtung: Alleine muss ich sein, einsamer Wolf in einsamer Natur bei diesem grandiosen Schauspiel, das mir Sonne und Mond an den Himmel zaubern wird!
Bloß: wo nur? 
Irgendwo weiter südlich sollte es sein, weil die Chancen über Ludwigshafen und der näheren Umgebung auf einen klaren Himmel von den Wetterfröschen als recht klein eingeschätzt wurde. 
Also los nach Süden - nur: wohin und wie weit überhaupt? 
   Ich war schon einige Kilometer gefahren als es mir dämmerte, dass ich gar nicht bewusst gefahren war. Ha! Das isses! Lass dich doch wie immer von deinen Instinkten leiten! (Na, jedenfalls, wenn es ums Fahren geht). Und schon befand ich mich auf dem Weg in Richtung Speyer, zwischen den Wäldern hindurch, auf der Suche nach einem lauschigen Plätzchen. 
Nix, weit und breit nix, was mich inspirierte. Und wenn doch mal was Lauschiges zu sehen war, dann versperrten natürlich die Bäume die Sicht in den Himmel. 
Weiter und weiter, über die Dörfer oder besser an diesen vorbei. Überall an den Straßenrändern, an Feldwegen, an oder sogar in den vielen Äckern: Schaulustige mit Caravans und Liegestühlen und Grill und Bierfässern. Igitt! Nix für mich. Aber: alle glotzten schon nach oben, und ich dann auch: sollte ich meinen Termin mit der Sofi verpassen? 
Es sah so aus, dass ich nicht mehr viel Zeit hätte; und eine Uhr hatte ich natürlich nicht dabei, ich Penner. Jetzt kam doch eine gewisse Unruhe in mir auf, die man landläufig auch einen kleinen Anfall von Panik nennt... 
   In einem kleinen Ort hatte ich plötzlich das Gefühl, hier die richtige Stelle gefunden zu haben: neben einem Supermarkt gab es einen kleinen Platz, umgeben von Büschen, der recht leer war von Menschen und anderem störenden Zeugs. Ich hab diese Stelle kurz inspiziert, zum Himmel hochgeblickt und festgestellt, dass ich in der Tat nicht mehr viel Zeit hatte! Dennoch: dieser Platz war auch nicht das Gelbe vom Ei. Mein Puls hat sich ob dieser beiden Feststellungen noch etwas beschleunigt... 
Bis ich gemerkt habe, warum ich genau an dieser Stelle anhalten musste: Nicht Instinkt und Intuition waren es, die mich zum Bilderschießen hierher geführt hatten, sondern mein Magen! Und der wiederum nicht zum Fotografieren, sondern weil er dringend Proviant brauchte aus diesem Supermarkt... (Futter hatte ich natürlich vor lauter Hektik auch keines eingepackt, ich dilettantischer, laienhafter Hobby-Knipser ohne Sinn und Organisation.) 
Der kleine Panikanfall von vorhin erweiterte sich nicht unerheblich: erstens, weil ich schon anfing zu zittern vor lauter Hunger, und zweitens, weil der Himmel sich immer mehr zu zog...
Schaff' ich's noch? Für beides, meine ich: Futter und Sofi? 
Rein in den Laden, ein Päckchen Wienerle gepackt und zwei Brötchen. Draußen: gierigste Befriedigung meines Magens und bange Blicke nach oben - die Zeit wird knapp... und der Himmel bewölkt! 
   Ja spinn' ich denn? Urplötzlich, nachdem mein Magen die ersten Nährstoffe an Hirn und Intuition transportiert hatte, sah ich die Lösung vor mir: Ein kleiner Ort ganz in der Nähe, an dessen Rand direkt am Wald ein kleiner Kräutergarten für Anschauungszwecke gepflegt wurde; wir waren dort schon einige Male zum Pilzesammeln in diesem Wald. Dort hat es auch einen Unterstand mit Holzbänken und allem Komfort, den ein müder Wanderer braucht... 
Einfach genial, dieser halbwegs gefüllte Bauch! Dafür wurde er auch zwei-, dreimal ganz lieb getätschelt... Sofort entschloss ich mich, diesen Bauch erst weiter zu versorgen, wenn ich am Ziel angekommen bin; für den Moment hatte er seine Schuldigkeit getan. Ich schwang mich hurtig aufs Mopped und düste ab. 
Einige Kilometer weiter sattelte ich wieder ab, genau an diesem feinen Kräutergärtchen, und beäugte meine "Werkstatt": 
In der nach vorne offenen Holzhütte standen zwar Bänke und ein Tisch, aber alle waren soweit unter dem Dach, dass ich mit der Kamera keine Chance auf die Sonne hatte. Also setzte ich das kleine Tisch-Stativ auf den Boden und lugte mal durch, was sich als äußerst schwierig gestaltete: Ich konnte kaum durch den Sucher sehen; nur wenn ich mich platt auf den Boden legte konnte ich den Kopf soweit unter die Kamera stecken, dass ich wenigsten halbwegs die Richtung anpeilen konnte. 
Da ich natürlich auch keine spezielle Sonnenfinsternis-Brille mehr ergattert hatte - (habe ich eigentlich schon meinen Dilettantismus erwähnt?) -  fiel diese Aktion noch viel schwerer aus. das Stativ hätte ich auch irgendwo an einem Ast oder einem Lattenzaun oder so festklemmen können, aber die Zeit gestattete mir keine Suche mehr nach einem günstigeren Schuss-Standpunkt als der auf dem Boden. 
Für einen Sekundenbruchteil ergoss sich die Lichtflut der Sonne durch das Objektiv in mein Auge - das war so heftig, dass ich nach einer anderen Möglichkeit suchen musste. Kurzerhand legte ich den aufgeschlagenen, schwarzen Deckel des Tankrucksacks darunter, und so konnte ich durch die darauf fallende Helligkeit bestimmen, dass die Sonne tatsächlich im Ziel stand.
Ich bewegte die Kamera einige Male hin und her, und tatsächlich konnte ich Helligkeitsunterschiede feststellen, wenn das Licht durch das Objektiv und den Sucher auf das schwarze Plastik schien. Vage zwar und keinesfalls so scharf, dass sich die Sonne abgebildet hätte, aber es musste einfach genügen! 
   Solchermaßen blind gezielt harrte ich der Dinge, die da sehr bald kommen würden, und gönnte mir einen Augenblick für die Umgebung: hinter mir die Hütte und der Wald, vor mir - außer dem Kräutergärtchen - Felder und einige kleine Häuser mit roten Ziegeldächern; diese waren aber so weit entfernt, dass sie meine Idylle nicht störten. Weit und breit kein Mensch und auch keine menschlichen Geräusche, nur Vogelgezwitscher und ein entferntes Bellen eines Hundes. Genau das war es, wonach ich gesucht hatte! Toller Bauch, der hiermit wieder einen Tätschler genießen durfte... 
   Bange Blicke nach oben, immer sehr vorsichtig nur mit fast geschlossenen Augen - und das auch nur sehr kurz - ließen mich erkennen, dass die Wolken drohten, mir das Schauspiel zu verhüllen! Jetzt musste es also losgehen mit der Knipserei! Zum Glück hatte ich wenigsten an den Drahtauslöser gedacht, ansonsten wäre die Sache noch ein herbes Stück schwieriger geworden. 
Zwischen den einzelnen Bildern hab ich immer wieder die Blende und die Verschlusszeit verstellt und hoffte, dadurch wenigsten ein, zwei einigermaßen erkennbare Bilder zu ergattern. Dabei musste ich auch noch aufpassen, dass ich bei den Einstellungen ja nicht das Stativ verrücke... Zum Verrücktwerden, glaub's mir! 
Zudem konnte ich auch nicht wahllos drauf los knipsen, ich musste ja mit den Bildern haushalten - womöglich ging mir der Film aus, bevor der Höhepunkt am Himmel statt fand? Ein weniger blöder Knipser hätte zumindest einen leeren 36er Film eingelegt, einen Zweitfilm als Sicherheit im Rucksack gehabt oder auch eine zweite Kamera mitgenommen... 
Ich hielt die Blicke immer knapp über den Feldern, um nicht geblendet zu werden - und plötzlich spürte ich, dass es gleich soweit sein musste: die Natur um mich herum hielt den Atem an! 
Innerhalb von Sekunden verstummten die Vögel, das ferne Bellen des Hundes ging über in ein ganz kurzes Jaulen, dann war auch aus dieser Richtung nur Stille zu spüren. Und es wurde kalt! 
Ich hatte das Gefühl, dass selbst die Ameisen um mich herum in Andacht gefallen waren... Und: hatten einen Augenblick zuvor nicht noch die Blätter in den Bäumen geraschelt? 
   Just in dem Moment, als der Mond begann, seine ersehnte Gefährtin zu bedecken, riss die Wolkendecke etwas auf: Ich war sicher, das war ein Zeichen für meine Ehrfurcht und meine tiefen Gefühle, die hier in der Einsamkeit ein Maß annahmen, die unter den Menschenansammlungen, die ich unterwegs gesehen hatte, nicht möglich gewesen wären... 
Ich fühlte mich völlig Eins mit der Natur um mich herum, spürte mit jeder Faser meines Körpers, meines Geistes und meines Herzens den mächtigen Kosmos, seine überwältigende Schönheit; in diesen Momenten fühlte ich mich tatsächlich als Bestandteil der mich umgebenden Natur und damit auch integriert in etwas Größeres, Gewaltiges, Faszinierendes. Hätten diese Momente länger angedauert, ich wäre unweigerlich in tiefste philosophische Gedanken verfallen... 
So aber zwang ich mich vorsichtig, noch einige Bilder zu schießen, ohne diese Gefühle in mir zu verletzen. 
Dann war der Film aus; besser gesagt, beide Filme: der in der Kamera und der auf der Großleinwand über mir. 
   Ganz langsam erwachte die Natur wieder zum Leben, und ich mit ihr: Zögerlich setzten die Vögel ihren Gesang fort oder begannen einen neuen; die Bäume raschelten aufs Neue mit den Blättern, die Ameisen marschierten dort weiter, wo sie in Andacht verfallen waren; Insekten, die sich am Boden oder unter Blättern versteckt hatten, torkelten erneut lebensfroh durch die wärmenden Sonnenstrahlen; der Hund von vorhin schickte eine vorsichtig jaulende Anfrage in seine neu entstandene Welt; und ich, der kleine gefühlswallende Mensch, saß noch lange auf dem Boden, um diese erhebenden Gefühle für die Ewigkeit zu konservieren... 
   Wie ich später erfuhr, hatten alle im Umkreis von vielen Kilometern das Pech, dass in diesen bewegenden Momenten die Wolken ihre Aus- und Ansichten verschleierten! Auch der Fotograf der örtlichen Zeitung im 20 Kilometer entfernten Ludwigshafen erntete nur hübsche Wolkenbilder; wie alle anderen, die ich - sensationslüstern und grillfeiernd - auf meinem schweren Weg hier in diese Enklave belächelt hatte... Und mein Nachbar von obendrüber, der mit Freunden feiernd irgendwo anders unterwegs war, erzählte, dass gerade in DEM Moment die Wolken vor ihre Gesichter gezogen waren!
   Warum, so frage ich mich heute noch, hatte ausgerechnet ich auf meinem einsamen Plätzchen das Glück, dieses Spektakel sehen und auf meinen Bildern festhalten zu dürfen (auch wenn diese nicht perfekt sind)? Und so gehörte ich zu den wenigen von einigen Hunderttausend Menschen in meiner Umgebung, die sehen, erleben und sehr tief fühlen konnten bei einer Vorführung, die uns in diesem Land nicht oft von der Natur geboten wird... DEN perfekten Ort hatte ich erwischt!
   Hier die komplette Entstehung und Vergehung dieses Ereignisses:

Bilder

Spatzenrettung

Lebensrettung im Frühsommer 2006


Ein Mörderkater auf der Lauer...

Mein Kater Mikesch hatte es sich in dem noch eingepackten Sonnenschrirm unter dem Balkontisch urgemütlich gemacht, obwohl er ziemlich unsicher dreinschaut: er war ja noch nicht lange bei mir, und so eine Freiheit wie einen Balkon hatte er vorher wohl nie erleben dürfen!
Plötzlich aber wurde er durch aufgeregte Töne hellwach: 'Da! Dort auf der Balkonbrüstung tut sich was! Getzwitscher und Gepiepse! Nix wie hin!' - nichts mehr von irgendeiner Unsicherheit war zu spüren...
Wie ein geölter Blitz hatte er sich dann ein unerfahrenes Spatzenjunges, das sich zwischen den Geranien neugierig umsah, aus dem Balkonkasten geklaut und sauste damit quer durch die Wohnung, um wohl in einer dunklen Ecke mit ihm zu "spielen".
Ich hatte allerdings entschieden etwas dagegen: also sauste ich hinterher!
Unter dem Wohnzimmertisch konnte ich Mikesch kurzfristig stellen und sah dabei etwas Rotes auf dem Bäuchlein des Spatzenknaben, den er quer im Maul hielt - oje, dachte ich, zu spät...
Meinen lautstarken Aufforderungen im herrischsten meiner möglichen Töne, den Bubi wieder in seinen Balkonkasten zu bringen, kam der Kater natürlich nicht nach; im Gegenteil: Eine Lücke in meiner Angriffsposition nutze er geschickt aus und fetzte mit seiner Beute weiter durch alle Zimmer der Wohnung - und ich natürlich wieder hinterher.
Weder im Schlafzimmer, noch in einer Ecke hinter dem Schreibtisch, noch im Bad konnte ich den Brutalo zur Strecke bringen! Ins Wohnzimmer traute er sich wohl nicht mehr, da er dort schon einmal fast gestellt worden war.
Wieder zurück in der Küche, in einem Eck neben der Balkontür, erwischte ich den Räuber am Schwanz, und das behagte ihm überhaupt gar nicht: Eine Katze kann wohl nicht gleichzeitig protestierend miauen und dabei seinen Fang im Fang behalten...
   Das kleine Federknäulchen nutze die Chance und zischte ab aus den Zähnen des Häschers - und knallte genau gegen das Küchenfenster...
Dem Mörderkater blieben nur einige kleine Blütenblätter der roten Geranie übrig, die er verächtlich ausspuckte und sich dann mit mörderischer Geschwindigkeit irgendwohin aus dem Staub machte!
Das war also das Rote, das ich schon als Zeichen der Apokalypse auf dem Bäuchlein des Spatzenbubis gesehen hatte...
Der Federknirps hockte, gottseidank unversehrt, aber mit mit einem wahrscheinlich gehörigem Brummkopf, völlig erschöpft auf der Fensterbank zwischen den Blumentöpfen, nachdem er wieder und wieder an das Glas der Scheibe geknallt war. Auf die Idee, dass er es direkt neben dem Fenster durch die offene Balkontür versuchen könnte, ist er in seiner Panik wohl nicht gekommen.
So konnte ich den kleinen Wurm rasch in die rechte Hand packen!
Sein Herzlein raste wie wild; die wunderschönen Äugelchen waren weit aufgerissen, das Schnäbelchen ebenfalls, um gierig atmen zu können; das kleine Züngelchen lugte dabei weit heraus.
   Als ich das Viechlein so durch die Gegend trug und ihm dabei immer wieder über das Köpflein strich und beruhigende Worte zuflüsterte, entdeckte ich die kleine Sony-Kamera auf dem Schreibtisch: Das war es! Die Situation musste festgehalten werden!
Ich schnappte das Teil mit der linken Hand, ohne den geringsten Schimmer, welche Einstellungen ich zuletzt verwendet hatte; auf dem Balkon schoss ich blindlings ein paar Bilder in Richtung meiner rechten Hand mit dem kleinen Kerl darin.
Ergebnis: natürlich mager; aber man kann schon erahnen, dass der Piepmatz anfangs noch in heller Panik war und sich danach gehörig beruhigt hatte! Und ich mich auch; mein Herz hatte beinahe so schnell geschlagen wie das des beinahe-Opfers...

Hastige Momentaufnahmen:


Hier noch völlig außer Atem, mit wild pochendem Herzen und Angst in den Augen


Schon viel entspannter, weil er spürte, dass er in einer guten Hand war; das Herzlein schlug normal, und auch die Panik im Auge ist weg


Hier ist sogar schon Neugierde zu sehen, als er meine kleine Kamera registrierte! Schade halt, dass der Schärfepunkt nicht stimmt

Nach einer Weile war der Knirps wieder völlig ruhig; er blickte neugierig herum, ohne sich befreien zu wollen! Gerne hätte ich ihn noch weiter geknuddelt (es ist einfach unheimlich süß, so was in meiner Hand zu spüren!), aber ich wollte ihn dann doch zu seinen Kumpels in den großen Fliederbusch entlassen, also öffnete ich die Hand:
Spätzchen blieb eine Weile zusammengekauert hocken, guckte sich nur um. Dann stand er auf, schaute mir direkt ins Gesicht und meinte: "Piep!!" Ein weiteres "Piep?" in Richtung Flieder, noch mal ein kurzer Blick zu mir; und dann flatterte er zurück zu seiner Spatzenbande - und alle waren glücklich...
… außer meinem Kater, der mich ziemlich vorwurfsvoll anmaunzte...

Eine Bettgeschichte, Frühherbst 2021

Aufbau meines neuen Bettes


Ich hab mal wieder etwas Geld verdient durch den Verkauf von Fotos. Da ist mir eingefallen, dass ich meiner Gesundheit was Gutes tun könnte, nämlich mein uraltes Futon-Bett, auf dem über der alten Matratze eine neuere liegt, gegen ein neues Bett zu tauschen. Zwei Matratzen übereinander bedeuten übrigens einen enormen Komfort: der Ausstieg ist so hoch wie von der Couch, also kein Hochquälen aus dem niedrigen Bett.


Zuerst hatte ich diese Idee, als ich mit Flori (meinem schwarzen Kater, Bild am Ende) da lag und zu den Fenstern rausschaute (Bild am Ende): ein gescheiter Lattenrost muss her, aber dalli! Flori schnurrte zustimmend.


Bei der Suche im Internet ist mir plötzlich eingefallen, dass das völliger Schwachsinn ist: wo soll der Rost denn hin? Auf dem Grund ist er absolut nutzlos, die zwei Matratzen sind Hemmschwellen. Und das Teil über die alte Matratze legen, unter die neuere? Schwachsinn hoch zwei.
Also: alte Matratze entsorgen und statt dem starren Rollrost etwas richtig Gutes rein, auch wenn ich mich beim Aufstehen hochhieven muss.

Wieder im Internet gesucht und einen tollen Gesundheitsrost entdeckt, den ich auch gleich gekauft habe! Für 129 Euro. Die Lieferung sollte allerdings 29 Euro kosten, wobei ich mich entschieden hatte, den Rost kostenfrei in den Bettenmarkt liefern zu lassen. Allerdings ist mir unklar, wie ich ihn dort abholen soll... Nun ja, das wird sich sicher lösen lassen. Mit meinem e-Bike klappt das wohl kaum.


Am nächsten Tag fiel mir auf, dass das Futonbett ja nur eine minimale Umrandung hat, wegen dem starren Rollrost. Was bedeutet, dass der super Lattenrost mit 9 cm Höhe gar keinen Platz für die Matratze mehr lässt: die würde glatt über den Rand rutschen... Blöd durchdacht, beziehungsweise gar nicht. Was jetzt?

Also wieder ins Internet und nach Betten gesucht, insgesamt fast zwei Stunden lang: gefiel mir ein Bett, schreckten die Nutzerwertungen ab... Endlich fand ich eines; Kiefer natur, geölt, richtig schön wie auch die Bewertungen! Also gekauft für 139 Euronen. Lieferkosten bis an die Wohnungstür: 4,50 Euro! Bitteschön, was ist das ein Verhältnis zu den Lieferkosten zu dem Lattenrost oben???


Schon vor fünf Wochen hatte ich mich übrigens für ein neues Deckbett entschieden, Schnäppchen bei Otto mit 47% Nachlass plus ein Sommerdeckbett gratis! Nutzerbewertungen überschwänglich. Lieferzeit: vier Wochen. Vor ein paar Tagen erhielt ich die Nachricht von Otto, dass sich die Lieferung um etwa zwei Wochen verzögern wird. Tragbar, weil sich die Vorfreude verlängert! Und außerdem habe ich dadurch insgesamt mehr Vorfreuden: Das Bett soll in vier Tagen kommen, der Lattenrost in sechs Wochen, das Bettzeug in eineinhalb Wochen! Passt also alles prima zusammen.


Freitag, 14 Uhr


Bett angekommen, in zwei Paketen. Auf dem Boden im Wohnzimmer gelagert. Nach dem Abholen der bleischweren Bohrmaschine bei meinem Nachbarn im Haus nebenan wollte ich mich eigentlich meiner Erschöpfung hingeben, weil ich ja sowieso schon zwei Stunden Schlafdefizit hatte. (Info: ich leide seit drei Jahren an chronischer Müdigkeit und schlafe ständig ein). Aber wo? Couch voll mit Bettzeugs, Wozi-Boden bedeckt mit Paketen, im Schlazi Bettgestell kahl, Matratze hochkant an den Schränken, kein Platz zum Umlegen... Außerdem: scharf aufs neue Bett!

Also: Gestell auseinander geschraubt, Boden gesäubert, in den Keller gebracht. Bett natürlich, nicht den Boden. Eine Matratze von 140 mal 200 cm ist nicht gerade ein Leichtgewicht, und vor allem blöderweise ungeheuer flexibel, will man sie durchs Treppenhaus drei Stockwerke in den Keller bugsieren, teilweise sogar über das Treppengeländer! Zum Glück kam kein Nachbar heraus, der mir vielleicht helfen wollte.
Im Keller hätte mich am Liebsten auf die Matratze geschmissen... Aber da ist kein Platz, sie steht hochkant. Aber es musste ja auch noch der Rollrost runter! Der passte zum Glück in den Fahrstuhl.

Wieder in der Wohnung: Eingefallen, dass ich ja den Roll-Rost noch brauche; ohne Rost ist ein Bett nichts anderes als eine hübsche, hohe Umrandung für die am Boden liegende Matratze. Also wieder vom Keller hochgeholt; hat glücklicherweise nur rund 15 Kilo. Hast du übrigens schon mal die Unterseite deines Bettrostes angeguckt? Lass es lieber...

Kopf- und Fußteil des neuen Bettes ausgepackt und vom Wozi, wo die beiden Pakete parkten, ins Schazi geschleppt. Festgestellt, dass leichte Schrammen im Holz des Fußteils sind, auf einer Höhe, die ich mir bis zum Ende ansehen muss! Zorn und Enttäuschung. Egal. Ich will mein Bett haben! Ging aber nicht, da der mitgelieferte Holzleim so hart wie das Holz selber war... Meinem Rest Holzleim in meiner Bastelbox ging es ebenso; keine Chance für die Holzdübel also.

Alles von der Couch runtergeschmissen und im Wozi verteilt, eine halbe Stunde zwar kaputt, aber doch nur halbwegs gedöst; Flori hat sich gefreut, dass alles anders aussah, ich hätte es dagegen etwas manierlicher gehabt. Danach recht unlustig zum Tedox geradelt und Holzleim gekauft. Glatt ein Euro!

Zurück: völlig im Eimer! Matratze auf den Boden gekippt und mich drauf. Dabei vergessen, dass noch die ersten Teile des neuen Bettes drunter lagen... Die kniffen derart, dass ich wieder aufstand - hey! Direkt vom Boden! Eine athletische Übung! Jetzt werd ich mich wieder auf Erdniveau absenken und hoffen, dass ich demnächst wieder auftauchen kann. Und ich dachte dabei, dass ich diesen Mist irgend jemandem erzählen muss... Das war zuerst mein Nachbar mit der Bohrmaschine, später meine Cousine, die ebenfalls gerne liest und lacht; beide kamen auf ihre Kosten.

Unbestimmte Zeit später, so gegen 18 Uhr, quälte ich mich wieder hoch und beschloss, dass es genug Arbeit für heute war.


Samstag, ab etwa 12 Uhr:


Die Nacht war erstaunlich gut! Wäre meine Hüfte nicht gewesen bzw. die Schmerzen dort, hätte ich mich echt wohl gefühlt: gute Matratze! Nur das Aufstehen fiel verdammt schwer: so ein Boden liegt verdammt niedrig; was man erst so richtig wahrnimmt, wenn man drauf  oder knapp darüber liegt.

Am heutigen Tag hab ich gut fünf Stunden gearbeitet und mich immer wieder bedauert, weil das Wetter mich auszulachen schien: Komm raus in die Natur, du armer Tropf, statt dir dein Genick und dein Kreuz noch mehr zu versauen! Grollend schuftete ich aber weiter. Scheiß Wetter!

Es ist gar nicht so einfach, zwei Teile zu halten und dabei gleichzeitig mit einer Bohrmaschine von nicht gerade geringem Gewicht rund 40 Schrauben richtig zu versenken; versuche das mal! Erschwerend kam hinzu, dass meine Arme unzulänglich kurz sind und die Teile des Bettes naturgemäß ja recht lang, und schwer noch dazu.

Aber das ist noch nicht alles: 

Schließlich kann man nicht einfach mal so 16 Holzdübel mir nix dir nix einkleben, ohne vorher den korrekten Sitz der Teile zueinander zu überprüfen. Immerhin gibt es da noch einen Haufen Löcher, wo die Schrauben rein müssen, gerade an den Bettpfosten, an allen vier Seiten jedes Beines, in verschiedenen Höhen! Hast du mal die Dübel verklebt und merkst anschließend, dass die Löcher für die Schrauben irgendwie nicht an ein anderes Teil passen, hast du verloren... Ist mir mal bei einem Waschbecken-Untertisch im Bad passiert; Sperrmüll und neuer Unterschrank.

Ich schwöre, ich hätte am liebsten selbst ungeliebte Nachbarn gerufen, aber diese Schmach konnte ich mir nicht antun. So habe ich alle möglichen Hilfsmittel angewendet, z.B. mein uraltes Schifferklavier, das fast die genaue Höhe hat wie die Seitenteile, und das Ding an einem Ende darunter gestellt, um am anderen Ende dübeln und schrauben zu können. Auch einen Küchenstuhl hatte ich probiert, aber der war definitiv zu hoch; das Katzenklo zu niedrig. Das Aquarium hätte die perfekte Höhe gehabt, aber das war mir dann doch zu haarig.

Logischerweise hat nicht alles geklappt!

Mal fiel das Schifferdings um und ein Seitenteil kippte nach unten, wobei ein Holzdübel abbrach; oder ich merkte, dass das Fußende statt nach Außen nach Innen zeigte (alle Verschraubungen rückgängig machen und wieder von vorne anfangen, zum Glück keine verklebten Dübel drinne!); dazu noch zwei oder drei andere kleine Missgeschicke.

Zum Beispiel hatte ich übersehen, dass in zwei Löchern lange und dicke Schrauben steckten, die von der Länge nicht passten, ich sie aber unbedingt reinkriegen wollte: dabei habe ich die Schraubenköpfe abgedreht, und bekam sie nicht wieder heraus...

Eine der zu langen Schrauben steht jetzt deshalb gut fünf Zentimeter heraus, ausgerechnet am Kopfende auf der Seite ins Zimmer hinein; ich denke, dort werde ich irgendwas dran hängen, vielleicht eine Urinflasche wie im Krankenhaus. Oder einfach nur ein Schild: "Achtung! Verletzungsgefahr!" Absägen wäre natürlich auch eine Option, aber dann würde mich ja nichts mehr an den missglückten Aufbau erinnern.

Bei der anderen Schraube hoffe ich einfach, dass der Nicht-Sitz nicht elementar ist für die Gesamtstabilität: eine dicke, lange Schraube! Wär ja lächerlich. Den abgebrochenen Holzdübel übersah ich dabei geflissentlich. Auch machte ich mir keine Gedanken wegen den übrig gebliebenen drei kurzen Schrauben: die stammten sicherlich aus Fehlbeständen von Ikea-Möbeln; irgendwo müssen diese Teile ja geblieben sein, die so mancher Kunde vermisst hatte.

Nachdem ich den alten Rollrost aufgelegt und die Matratze drübergeschuftet hatte, bemerkte ich im Wohnzimmer eine Leiste, die alleine herumlag: die sollte laut Aufbaubeschreibung, wie ich jetzt feststellte, als stabilisierende Querstrebe dienen! Scheiß drauf.

Die wunderschöne Sonne des draußen wunderschönen Tages ging um 18 Uhr gerade weg, als ich eine Liegeprobe unternahm. Aber das war egal, weil ich vor Erschöpfung auf der Stelle einschlief... Ohne Bettzeug; ich träumte einfach von den bald ankommenden neuen Dingern.

Zwei Stunden später wachte ich wieder auf und stellte fest, dass die Ausstiegshöhe gut fünf Zentimeter zu hoch ist, oder meine Beine zu kurz sind! Das Seitenteil drückt in die Unterseiten meiner Oberschenkel, und die Füße hängen in der Luft...

Aber okay: Wenn der perfekte Lattenrost kommt mit seinen neun Zentimetern, drückt das Seitenteil sicher nicht mehr. Nur muss ich dann wohl einen enormen Höhenunterschied bis zu meinen Pantoffeln überwinden, mit einem mutigen Sprung nach unten vielleicht. Ein Futonbett ist offensichtlich niedriger, weil der Japs an sich kleiner ist.
Möglicherweise bastle ich mir auch eine Ausstiegshilfe oder besorge mir eine Leiter, wie es sie für Doppelstockbetten in Kinderzimmern gibt, und kürze die dann auf 40 cm; bei meinem Talent dürfte das ja kein Problem werden. Für eine Art Treppenlift ist leider kein Platz.

Eine geniale Idee: Ich werde die vergessene Leiste halbieren, unten Anti-Rutsch-Gummis drankleben und oben Fahrradgriffe drüber stülpen. Dann hab ich meine Ausstiegshilfe! *freu*


Bei meinem selbstgebastelten Bett damals in meiner erweiterten Jugend meiner ersten Wohnung konnte ich meine Freundin einfach zum Hornbach schicken, um die Bettpfosten kostenfrei etwas kürzen zu lassen: langhaarige, hübsche Blondinen schaffen so was locker. Bei einem verklebten und verschraubten Komplettbett wäre das allerdings etwas schwierig geworden.  Wie jetzt. Selbst mit Blondine ein Unding: kein Hornbach läßt sich nach Hause locken, um Bettpfosten zu kürzen!


Im Nachhinein denke ich, dass es ein kleineres Bett auch getan hätte, jedenfalls von der Breite her. Aber die mittelteure Matratze ist ja erst drei Jahre alt! Und die auf eine andere Breite zu kürzen wäre sicher etwas zu aufwändig gewesen.

Das Leben kann auch in kleinen Dingen recht kompliziert und aufregend sein! Und enorm anstrengend! Vor allem für einen baldigen Greis... *grins

Ich fürchte, meine Erzählung hat dir etwas Spaß gemacht...


Mir auch, einige Tage danach!